Von der Initiativgruppe Bildende Kunst im Landkreis Kusel zum Kunstkreis Kusel
 
Von Michael Seyl
 
Am 5. November 1993 trafen sich auf Initiative des Verfassers Kunstschaffende des Kuseler Raumes im Jugendhaus Kusel, um darüber zu beratschlagen, wie man die Infrastruktur für Bildende Künstler im Raum Kusel verbessern könnte. Man gründete die Initiativgruppe Bildende Kunst im Landkreis Kusel, aus der im September 1994 der Kunstkreis Kusel hervorging.
 
Als Ort der ersten Zusammenkunft wurde ganz bewußt das Jugendhaus in Kusel gewählt, da von dieser von der Evangelischen Kirchengemeinde Kusel getragenen Institution in den letzten Jahren durch die Veranstaltung der Ausstellungsreihe „Einblicke" entscheidende Impulse auf die Kunstszene des Kuseler Raumes ausgegangen sind.(1) Hier wurde den Künstlerinnen und Künstlern der jungen Generation ein wichtiges Forum geboten. Bezeichnenderweise waren mit Bernd Decker, Birgit Bysiak, Antje Drumm, Josef Seibert, Thomas Seibert und Michael Seyl die jungen Kunstschaffenden beim ersten Treffen überproportional vertreten. Neben den Genannten wurden Stephan Haas und Frieder Schneider als Sprecher der Initiativgruppe Bildende Kunst im Landkreis Kusel gewählt.
 
Die Initiativgruppe verstand sich zunächst als loser Zusammenschluß von 23 Künstlerinnen und Künstlern. Dazu zählten Kunststudenten, Kunsterzieher und freischaffende Künstler ebenso wie erklärte Hobbykünstler. Dabei handelte es sich weitgehend um jene Kunstschaffenden, die in den letzten Jahren mit Selbstbewußtsein und Ideenreichtum - man denke zum Beispiel an die Ausstellungsreihe „Kusel - Stil- und Le-bensArt"(2) - an die Öffentlichkeit traten, und die als „weltoffen und heimatverbunden"(3) zugleich charakterisiert werden können. Man setzte sich zum Ziel, Künstler und Kunstinteressierte unter Nutzung vorhandener Kultureinrichtungen zusammenzuführen. Die Künstlerinnen und Künstler wollten zeigen, daß die Stadt und der Kreis Kusel nicht nur als „Musikantenland" Maßstäbe in der Vergangenheit setzte und auch heute noch setzt, sondern auch auf dem Sektor der bildenden Kunst ein facettenreiches und qualitätsvolles Spektrum bietet, das es zu entdecken gilt.
 
Die Initiativgruppe sah sich als Ergänzung und suchte die Zusammenarbeit mit jenen Institutionen und Vereinen, die sich in der Vergangenheit für die Förderung der bildenden Kunst im Raum Kusel einsetzten. So wurden Gespräche mit Vertretern des Landkreises Kusel, der Stadt Kusel und verschiedener Verbandsgemeinden, mit Ilse Hinkelmann, der Leiterin des Stadt- und Heimatmuseums Kusel, mit der Arbeitsgemeinschaft Kunstausstellungen Waldmohr, mit Gertrud Rittmann-Fischer, der Vorsitzenden des Creativkreises International, mit Dietmar E. Hofmann vom Kleinen Kunstbahnhof in St. Julian-Eschenau und mit Vertretern verschiedener Banken geführt. Von Anfang an suchte man auch die Zusammenarbeit mit dem Förderverein Auswanderermuseum Oberalben, wo die weiteren Treffen der Initiativgruppe stattfinden konnten. Überall stieß man auf Interesse. In besonderer Weise haben sich Stadtbürgermeister Jochen Hartloff und Verbandsbürgermeister Alfred Kehl engagiert. Auch Landrat Dr. Winfried Hirschberger stand von Anfang an hinter der Sache. Nicht Konkurrenz, sondern gegenseitige Verstärkung der Aktivitäten sollten die Folgen sein, und so konnten schon bald die ersten Ausstellungen und Projekte in Angriff genommen werden.
 
Im Rahmen der ersten Jahresausstellung der Initiativgruppe konnten Wilfried Dahl und Frieder Schneider im März ihre Werke im Stadt- und Heimatmuseum Kusel zeigen.(4) Als Redner konnte Reiner Kettenring, der Vorsitzende der APK (Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Künstler), gewonnen werden. Mit Wilfried Dahl und Frieder Schneider präsentierten sich zwei Künstler, die sich mit den verschiedensten Kunstrichtungen vertraut gemacht, das ihnen Gemäße ausgewählt und eine eigene Sprache entwickelt haben. Beide kennen und arbeiten mit dem, was die aktuelle Kunstszene bewegt, und können so gesehen als repräsentativ für die Mitglieder der Initiativgruppe bezeichnet werden.
 
Eine Gesamtschau über das Kunstschaffen im Raum Kusel bot schließlich die Ausstellung Bildende Kunst im Landkreis Kusel, die die Initiativgruppe in Zusammenarbeit mit dem Landkreis, der Verbandsgemeinde und der Stadt Kusel im Juni in einer Halle der ehemaligen Tuchfabrik Kusel veranstaltete.(5) 32 Künstlerinnen und Künstler zeigten etwa 170 Bilder, Plastiken, Grafiken und Fotografien, die sich innerhalb der großzügig angelegten Ausstellungsarchitektur zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten zusammenfassen ließen.
 
Sehr stark vertreten waren Kunstschaffende, die sich in der Malerei oder Grafik mit dem Thema Landschaft auseinandersetzen. Die Inspirationen von Brigitte Schiffmann-Scoglio hingen neben Seelenlandschaften von Bernadette Keller und Impressionen von Karl-Heinz Naumann. Daß das Westpfälzer Bergland malerische Winkel zu bieten hat, belegten die realistischen Zeichnungen und Bilder von Horst Ohliger und Kurt Theis. Ingeborg Mey-Nicklas zeigte poetische Landschaftsdarstellungen. Der Bereich des Phantastischen und Visionären wurde auf unterschiedliche Weise durch Ludwig Grub, Dietmar E. Hofmann und Frieder Schneider abgedeckt. Weg vom Gesehenen - hin zu Landschaftsstrukturen führten die Werke von Günter Becker, während Wilfried Dahl Landschaftsstrukturen mit Signalbändern kombinierte.
 
Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die figurativen Maler und Grafiker. Hier standen Birgit Bysiaks skizzenhaft hingeworfene Tierfiguren im Kontrast zu den feinen Zeichnungen von Lothar Emrich. Jochen Hauck und Josef Seibert präsentierten demgegenüber expressive Menschendarstellungen. Im Zentrum der Ausstellung hingen die Figurengruppen von Horst Schwab neben den dynamisch-gestischen Malereien von Stephan Haas und den symbolbeladenen Werken von Sieglinde Böhm. Eine eigene Koje erhielt Georg Krajewski, der seine figurative wie ungegenständliche Seite zeigen konnte. Zwischen der Figuration und Abstraktion bewegten sich die Werke von Antje Drumm und Friedrich Weschmitt, die beide aus dem Prozeß heraus arbeiten und so zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Schließlich war die rein informelle Seite durch Hans-Jürgen Klöck-ner und Hermann Theis ebenso präsent wie die konstruktiv-konkrete, die durch Michael Seyl vertreten wurde.
 
Auch die Bildhauer und Plastiker präsentierten die verschiedensten Positionen. So standen die unheimlich wirkenden, expressiv-bestimmten Wesen von Heinrich Betz im Kontrast zu den Plastiken von Achim Ribbeck, der eine ganze Figurengesellschaft aufbauen konnte. Neben einer abstrakten Stahlplastik von Mark Owen waren Rinnenplastiken aus Ton von Stefan Engel und Steinarbeiten von Thomas Baum zu sehen. Ein Höhepunkt innerhalb der Ausstellung bildete Bernd Deckers Konstruktion „Im Gehaus" aus Aluminiumrohren und Glasplatten.
 
Der Bereich der Fotografie war durch hintersinnige Schnappschüsse von Arndt Schwab und zeitkritische Aufnahmen von Thomas Seibert vertreten. Die Ausstellung konnte durch Werke der 1991 verstorbenen Stefanie Kehl ergänzt werden.
Zur Ausstellungseröffnung legte der Verfasser das Buch Bildende Kunst im Raum Kusel vor.(6) Die Publikation bietet einen umfassenden Überblick über das aktuelle Kunstschaffen im Kuseler Raum. 40 Künstlerinnen und Künstler werden in Texten und Bildern vorgestellt. Jeder Text enthält die notwendigsten biographischen Angaben und ist so konzipiert, daß man einen Zugang zum künstlerischen Werk bekommen kann.
 
Allein zur Eröffnung der Ausstellung in der Tuchfabrik kamen so viele Kunstinteressierte wie noch nie zuvor zu einer vergleichbaren Veranstaltung im Kuseler Raum. Der Erfolg bestärkte die Initiativgruppe darin, die begonnene Arbeit fortzusetzen. Man war sich einig, den eingeschlagenen Weg durch eine Verbesserung der Organisationsstruktur auszubauen. Im September wurde die Initiativgruppe in Kunstkreis Kusel umbenannt, und es wurde beschlossen, den Kunstkreis Kusel noch in diesem Jahr ins Vereinsregister eintragen zu lassen. (Der Termin der Gründungsversammlung stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.) Der Kunstverein setzt die Ziele der Initiativgruppe fort. Er will offen sein gegenüber allen Kunstrichtungen, wobei nicht „ausschließlich", sondern „einschließlich" gearbeitet werden soll. Neben bildende Kunst ausübenden Personen können auch Kunstinteressierte Mitglied werden, die nicht künstlerisch tätig sind und die allein durch ihre Mitgliedschaft ihren Beitrag zur Förderung der bildenden Kunst im Raum Kusel leisten wollen.
 
Schon im September konnte sich der Kunstkreis Kusel als Veranstalter einer Ausstellung mit Werken von Stephan Haas und Georg Krajewski im Aus wanderermuseum in Oberalben präsentieren. Die aufwendige Schau wurde durch den Landkreis unterstützt. Als Erfolg konnte der Kunstkreis Kusel für sich verbuchen, daß Dr. Heinz Höfchen von der Pfalzgalerie Kaiserslautern in die Arbeit der beiden Künstler einführte.
 
Die Ausstellung im Auswanderermuseum Oberalben machte wieder einmal deutlich, daß der Raum Kusel auf dem Gebiet der bildenden Kunst regelrechte Geheimtips zu bieten hat. Sozusagen geborgen im Verborgenen arbeiten hier eine ganze Reihe von Künstlerinnen und Künstlern, die die Chance wahrnehmen, weitab der sogenannten Kunstzentren und den damit zusammenhängenden Kunstmarktzwängen Kunst zu machen. Und daß hier Kunst entsteht, die sich sehen lassen kann, zeigen immer wieder Ausstellungsbeteiligungen von Kunstschaffenden bei überregionalen Veranstaltungen. So war zum Beispiel der Raum Kusel bei der vielbeachteten Jahresausstellung der APK, die im Mai in der Tuchfabrik gezeigt wurde, durch Thomas Baum, Sieglinde Böhm, Wilfried Dahl, Stefan Engel, Ludwig Grub, Georg Krajewski, Achim Ribbeck, Frieder Schneider, Horst Schwab und Michael Seyl vertreten.
 
Stellt man zu den Aktivitäten des Kunstkreises Kusel die Höhepunkte der durch die oben aufgeführten Institutionen und Personen organisierten Veranstaltung - es waren neben der schon angesprochenen Ausstellung der APK die Ausstellungen von Ingeborg Mey-Nicklas und Gerhard Hofmann in der Kreissparkasse Kusel, Karl Vollmer in der Kulturhalle Waldmohr, Haninga Thiel, Uschi Zepter und Kurt Theis im Stadt- und Heimatmuseum Kusel, die beständige Arbeit im Kleinen Kunstbahnhof St. Julian-Eschenau und nicht zuletzt natürlich die Verleihung der Picasso-Medaille durch die Vereinigung Pfälzer Kunstfreunde an Horst Schwab - so kann man ohne Übertreibung sagen, daß der Kuseler Raum 1994 ein Kunstjahr sondergleichen erlebt hat.
 
 
Anmerkungen:
 
1   Siehe dazu Horst Schwab, Junge Kunst im Kuseler Raum. Anhand einer Ausstellung einen Überblick gewinnen, in: Die Pfalz am Rhein, 1987, Heft 1, S. 30-31. - Einen umfassenden Überblick über die bisherigen fünf Ausstellungen bietet eine Publikation, die anläßlich der Ausstellung „Einblicke V" erschienen ist: Michael Seyl - Roland Ziehmer, Einblicke. Dokumentation einer Ausstellungsreihe, Selbstverlag, Jugendhaus Kusel 1993.
 
2   Die Ausstellungsreihe „Kusel - Stil- und LebensArt" wurde im Jahre 1988 von Wilfried Dahl und Michael Seyl initiiert und in Zusammenarbeit mit der Stadt Kusel, namentlich Bürgermeister Jochen Hartloff, und dem Einzelhandelsverband Kusel veranstaltet. - Siehe dazu Rainer Dick, Kunst zu Menschen bringen, in: WR (Westricher Rundschau, Lokalausgabe der Rheinpfalz), 14. September 1988; Rainer Dick, Malerei, Grafik und Plastik, in: WR, 19. September 1988; Christoph Berndt, „Kusel - Stil-und LebensArt" eröffnet, in: WR, 19. September 1989; Christian Hamm, Künstlerisch „Stil und Lebensart" präsentiert, in: WR, 24. Oktober 1991. - Zu allen drei Ausstellungen erschien ein kleiner Katalog.
 
3   Siehe dazu Rainer Dick, Kunstschaffen aus innerer Notwendigkeit, in: WR, 3. Juni 1994
 
4   Siehe dazu Michael Seyl, Zwei Kunstschaffende haben eigene Sprache entwickelt, in: WR, 23. März 1949.
 
5   Siehe dazu Christian Hamm, Zugang zum Schaffen Kuseler Künstler, in: WR, 6. Juni 1994.
 
6   Michael Seyl, Bildende Kunst im Raum Kusel, 96 Seiten, 81 Abbildungen, Verlag Helmut Koch, Kusel 1994.
 
 
Quelle: Westrichkalender Kusel 1995, Herausgegeben vom Landkreis Kusel (Pfalz), Görres Verlag, Koblenz 1995, S. 58 - S. 64 - Digitalisat (pdf, 8 Seiten)
   
Siehe auch:

- Michael Seyl: 10 Jahre Kunstkreis Kusel, In: Westrichkalender Kusel 2005, Herausgegeben vom Landkreis Kusel (Pfalz), Görres Verlag, Koblenz 2005, S. 131 - S. 134 -
Digitalisat (pdf, 5 Seiten);
- Michael Seyl: Die Kunstkreis-Galerie, mit 2 Abbildungen, In: Westrichkalender Kusel 1998, Görres Verlag, Koblenz 1998, S. 128f.;
- Michael Seyl: Kunst in Bewegung, mit 10 Abbildungen, In: Westrichkalender Kusel 1997, herausgegeben vom Landkreis Kusel (Pfalz), Görres Verlag, Koblenz 1997, S. 132-139
Digitalisat (pdf, 9 Seiten);  
 
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