Von Meinrad Maria Grewenig
Für einige Monate verändert Michael
Seyl die gewohnte Ansicht des Historischen Museums der Pfalz Speyer. Intensives
rotes Licht gibt dem Gebäude mit einbrechender Dunkelheit ein neues
eindringliches Gepräge. Aus den Fenstern der Zweiturmfassade, die
zum Domplatz hin liegt, und aus dem Fensterkranz an der Spitze des großen
Turms quillt intensives blaues Licht. Das rot angestrahlte Mauerwerk und
das ausstrahlende blaue Licht in den Fenstern des Museums thematisieren
und symbolisieren Museum auf besondere und neue Art. Michael Seyl ordnet
die Lichfarbe Rot dem Mauerwerk des Gebäudes zu. Rot intensiviert
das Festgefügte und Erdgebundene. Blau steht für die ausstrahlende
Dimension des Geistigen, das aus dem Museum in die Welt hinaus wirkt. Drinnen
und Draußen, sowie der Übergang vom Innen zum Außen, werden
so besonders ins Licht gestellt.
In einem intensiven Annäherungsprozess
an das Historische Museum der Pfalz und seine Arbeit, hat sich Michael
Seyl dafür entschieden, einige Objekte im Inneren des Museums und
markante Bereiche des Gebäudes, die Hauptfassade und den großen
Turm, zu konturieren. Seyl thematisiert, bezogen auf die örtlichen
Möglichkeiten, Museumsarbeit schlechthin, einerseits die Konzentration
auf wenige »symbolhafte« Exponate der über 900.000 Objekte
umfassenden Sammlung, andererseits das »Museumsgehäuse«
als Ort des Museums. Das Erscheinungsbild des Historischen Museums der
Pfalz verwandelt der Künstler auf sehr drastische und bisher nie gesehene
Weise in eine imaginäre, fast märchenhafte Kulisse, die gerade
dann, wenn das Museum in der Regel geschlossen ist- in der Nacht-, ihre
intensive Veränderung erfährt. Rotes und blaues Licht bilden
einen der stärksten Farbkontraste. Der Gegensatz zwischen dem leicht
Konturierenden des roten Lichtes in der Beleuchtung von Außen und
dem intensiven Strahlen des blauen Lichtes nach Draußen, verweist
auf Grundbedingungen des Museums, die »erdgebundene, objekthafte»
Dimension der Exponate und die geistige Durchdringung in der forschenden,
wissenschaftlichen Aneignung. Die zeitliche Begrenzung und Veränderung
der Museumsansicht in der Zeit deutet auf weitere Aspekte musealer Tätigkeit
hin. Das Projekt Rot Blau ist nicht ein Objekt oder nur eine Ansicht. Die
Dimension der Installation in ihrer physischen Größe und in
ihren Innen- und Außenbezügen, sprengt die Möglichkeiten
menschlichen Erkennens. Nur dank der Erinnerungsbilder, die die Betrachter
in sich tragen, wird das Gesamtbild von Rot Blau erfahrbar, auch dies eine
intensive Parallele zur Museumsarbeit. Die radikale Veränderung des
Bildes vom Museum, das wir uns gemacht haben, mit nur wenigen Mitteln,
stellt unsere Erkenntnismöglichkeiten zur Diskussion. Teil dieser
Diskussion ist die intensive Kommunikation des Rot Blau Projekts mit klassischen
und neuen Mitteln wie etwa das Internet.
Quelle:
Westrichkalender
Kusel 2000, herausgegeben vom Landkreis Kusel (Pfalz), Görres
Verlag, Koblenz 2000, S. 214