Michael Seyl

Von Matthias Brück

Daß Michael Seyl seit Jahren eine besondere Beziehung zu Licht und Farbe unterhält, zeigen seine vielbeachteten Lichtinstallationen im Kirchenraum und noch spektakulärer die Lichtinstallationen im öffentlichen Raum wie „Burgenröte" 1998 oder „Gelb Rot Blau", Altes Rathaus Bielefeld 1999 beziehungsweise seine Ausstellung „Rot Blau" im Historischen Museum der Pfalz, Speyer 1998.
Aktionen, die man unter anderem in den Kontext von Land-art-Konzepten stellen könnte, da sie auf eigene Weise Objekte oder Landschaften durch bestimmte Eingriffe verändern. Außerdem sind seine Arbeiten - auch hier gibt es Parallelen zur Land-art - nicht für die Ewigkeit bestimmt. Denn, was dort im Prozeß der Vergänglichkeit irgendwann einmal zur Auflösung führt, endet bei Michael Seyl mit dem „Umlegen des Lichtschalters". Denn das jeweilige Kunstwerk - ob Lichtinstallation oder Leuchtstoffröhrenbild - existiert nur so lange als Wahrnehmungserlebnis des Betrachters, wie seine Existenzbedingungen erhalten bleiben.
Gerade bei den in der Galerie der Sparkasse Südliche Weinstraße in Landau ausgestellten Leuchtstoffröhrenbildern - übrigens die erste große Präsentation dieser Werk-Gattung - stellt sich für den Betrachter die Frage nach der Motivation dieses Künstlers, wenn man einmal dessen kontinuierliche Auseinandersetzung mit Farbfeldmalerei oder Goethes Farbenlehre außer Acht läßt. („Seyl arbeitet zum Beispiel bei seinen Leuchtstoffröhrenbildern mit dem Prinzip der Komplementärkontraste und der gegenseitigen Auslöschung der Komplementärkontrastpaare..." Horst Schwab, „Michael Seyl", aus: „Bildende Kunst im Raum Kusel", Druckerei und Verlag Koch, Kusel 1994, S. 84).
Was also möchte dieser Künstler über diesen theoretischen Background hinaus, mit seinen Werkzeugen, Neonröhren, Farbfolien, monochromen Bildträgern und Projektoren erreichen? - Sicherlich kein Pendant zu einer allzu verbreiteten Bild-Banalität, zu der kaum mehr zu steuernden Bilderflut der Medien und einer sich als Kunst tarnenden Oberflächen-Ästhetik.
Dagegen möchte er seine Einzelbilder stellen, möchte einmal das Vorurteil korrigieren, Kunst könne nur mit Pinsel, Stift, Hammer oder Meißel geleistet werden und darüber hinaus Werke zu schaffen, neue, originäre Werke, auf die sich der Betrachter konzentrieren, in sie vertiefen kann. Rainer Dick hat das im Katalogtext, Michael Seyl, Rot Gelb Blau, Kusel 1997, treffend ausgeführt: „Es setzt die Bereitschaft voraus, sich einem Werk hinzugeben, sich einzufühlen, nachzudenken, zur Ruhe zu kommen. Seine Installationen zu goutieren, hat vielleicht sogar etwas mit Kontemplation zu tun, mit Besinnung und Einkehr, Die nächste Stufe seines künstlerischen Wirkens hat daher eine spirituelle Qualität (...)."
Über die intendierte Hingabe und Fähigkeit des Betrachters hinaus, sich von dieser meditativen Aura gefangennehmen zu lassen, scheinen die Leuchtstoffröhrenbilder von Michael Seyl - neben ihrer unbestreitbaren ästhetischen Faszination - eine spannende Frage zu implizieren. Ist das Exponat nur dann Kunstwerk, wenn es „unter Strom steht" oder kann man ihm in ausgelöschtem Zustand bereits eine ähnliche Qualität zuschreiben - eine Art von verborgener Wirkkraft, fast eine Entelechie im aristotelischen Sinn? -
Wie auch immer man sich mit diesen Arbeiten auseinandersetzt, sie reizen zur Auseinandersetzung und lohnen das Engagement des Betrachters. „Mehr Licht", hat Goethe angeblich zuletzt gefordert. „Noch mehr Licht", hat Michael Seyl in seiner Examensarbeit verlangt und meines Erachtens dieses Postulat bislang höchst beeindruckend erfüllt. Ebenso sicher scheint, daß er seine „Quelle" noch nicht ausgeschöpft zu haben scheint - man darf weiterhin gespannt sein.
 

Quelle:

Michael Seyl, Werkeheft, Herausgeber: Sparkasse Südliche Weinstraße in Landau, mit einem Text von Matthias Brück, Landau 1999 (mit 5 Farbabbildungen von Leuchtstoffröhrenbildern)