"Rot Blau"

Historisches Museum der Pfalz Speyer
18. Dezember 1998 - 11. April 1999


 Foto: Robert Häusser, Mannheim

... Auch farbiges Licht ist ein Phänomen, das im Dunkel bleibt, bis es von Materie reflektiert wird. Mit diesem mystisch-kreativen Stoff zu arbeiten ist der Ehrgeiz des 35-jährigen Lichtkünstlers Michael Seyl, einst Schüler von Sigurd Rompza und Karl-Otto Jung in Saarbrücken, Timm Ulrichs in Münster. Burgen, Schlösser und Kirchen sind die Orte, an denen er dem Licht zu dramatischen, zarten oder gleichmütigen Auftritten verhilft. Sein Licht ist ohne Geheimnis, es kommt aus der Steckdose, aktiviert Leuchtröhren, Strahler, Filter.
Davon braucht der Passant, der in diesen Tagen bei Einbruch der Dämmerung den Speyerer Domplatz quert, nichts zu wissen. Ihm bietet sich ein seltsames Schauspiel: die Verwandlung des Historischen Museums der Pfalz in ein Kunst-Stück. Zuerst strahlt eisig blaues Licht aus den Fenstern, die zu blinden Höhlen werden. Auf einmal erglüht der Eingangsbereich in vollem, samtenem Rot. Und das Rot wächst und überzieht die ganze Fassade mit bengalischer Pracht...
Sigrid Feeser, „Flüchtige Gäste aus Licht, drinnen und draußen“, Aus: Saarbrücker Zeitung, Feuilleton, 25. Februar 1999

 


 

Das Historische Museum der Pfalz Speyer
im Dialog mit Michael Seyl

 

Von Meinrad Maria Grewenig

 

Für einige Monate verändert Michael Seyl die gewohnte Ansicht des Historischen Museums der Pfalz Speyer. Intensives rotes Licht gibt dem Gebäude mit einbrechender Dunkelheit ein neues eindringliches Gepräge. Aus den Fenstern der Zweiturmfassade, die zum Domplatz hin liegt, und aus dem Fensterkranz an der Spitze des großen Turms quillt intensives blaues Licht. Das rot angestrahlte Mauerwerk und das ausstrahlende blaue Licht in den Fenstern des Museums thematisieren und symbolisieren Museum auf besondere und neue Art. Michael Seyl ordnet die Lichfarbe Rot dem Mauerwerk des Gebäudes zu. Rot intensiviert das Festgefügte und Erdgebundene. Blau steht für die ausstrahlende Dimension des Geistigen, das aus dem Museum in die Welt hinaus wirkt. Drinnen und Draußen, sowie der Übergang vom Innen zum Außen, werden so besonders ins Licht gestellt. Folgerichtig akzentuiert Michael Seyl vier Objekte aus den Sammlungen des Historischen Museums der Pfalz im Inneren des Gebäudes, die diese Anmutung besonders intensiv verkörpern: Das Reliquiar-Schatzkästchen aus Limoges in der Domschatzkammer, die »Schöne Madonna« im Mittelalter, das Weihnachtsbild von Johannn Friedrich Roos in der Neuzeit, sowie das Eisenberger Kruzifix aus der Sammlung der Evangelischen Kirche der Pfalz. Das Installationsprojekt Rot Blau mit Michael Seyl setzt die Reihe »Museum im Dialog« im Speyerer Museum fort, die im vergangenen Jahr mit einem Projekt von Madeleine Dietz begann. Ziel unserer Museumsarbeit im Historischen Museum der Pfalz ist es, neue sinnliche Erfahrungskontexte herzustellen und gewohnte Blickwinkel auf den Prüfstand zu stellen. Vermittlung von Geschichte im Museum wird dort sinnfällig, wo sich aktuelle Fragen und der historische Zusammenhang der Objekte zu einem neuen Verständnis verbinden. Was wäre dazu besser geeignet als »Geschichte« auch aus der Perspektive zeitgenössischer Kunst zu »beleuchten«? In diesem Dialog aktueller zeitgenössischer Kunst mit Geschichte und Museum werden die Museumsleute zu Moderatoren des Geschehens. In einem intensiven Annäherungsprozess an das Historische Museum der Pfalz und seine Arbeit, hat sich Michael Seyl dafür entschieden, einige Objekte im Inneren des Museums und markante Bereiche des Gebäudes, die Hauptfassade und den großen Turm, zu konturieren. Seyl thematisiert, bezogen auf die örtlichen Möglichkeiten, Museumsarbeit schlechthin, einerseits die Konzentration auf wenige »symbolhafte« Exponate der über 900.000 Objekte umfassenden Sammlung, andererseits das »Museumsgehäuse« als Ort des Museums. Das Erscheinungsbild des Historischen Museums der Pfalz verwandelt der Künstler auf sehr drastische und bisher nie gesehene Weise in eine imaginäre, fast märchenhafte Kulisse, die gerade dann, wenn das Museum in der Regel geschlossen ist- in der Nacht-, ihre intensive Veränderung erfährt. Rotes und blaues Licht bilden einen der stärksten Farbkontraste. Der Gegensatz zwischen dem leicht Konturierenden des roten Lichtes in der Beleuchtung von Außen und dem intensiven Strahlen des blauen Lichtes nach Draußen, verweist auf Grundbedingungen des Museums, die »erdgebundene, objekthafte» Dimension der Exponate und die geistige Durchdringung in der forschenden, wissenschaftlichen Aneignung. Die zeitliche Begrenzung und Veränderung der Museumsansicht in der Zeit deutet auf weitere Aspekte musealer Tätigkeit hin. Das Projekt Rot Blau ist nicht ein Objekt oder nur eine Ansicht. Die Dimension der Installation in ihrer physischen Größe und in ihren Innen- und Außenbezügen, sprengt die Möglichkeiten menschlichen Erkennens. Nur dank der Erinnerungsbilder, die die Betrachter in sich tragen, wird das Gesamtbild von Rot Blau erfahrbar, auch dies eine intensive Parallele zur Museumsarbeit. Die radikale Veränderung des Bildes vom Museum, das wir uns gemacht haben, mit nur wenigen Mitteln, stellt unsere Erkenntnismöglichkeiten zur Diskussion. Teil dieser Diskussion ist die intensive Kommunikation des Rot Blau Projekts mit klassischen und neuen Mitteln wie etwa das Internet.

Mein ausdrücklicher Dank gilt dem Künstler Michael Seyl, der sich auf das Dialogprojekt Rot Blau mit dem Historischen Museum der Pfalz eingelassen hat.

Dank gilt der Stadt Speyer, die die notwendigen Genehmigungen für die Veränderungen des Stadtbildes bereitwillig erteilte. Im Museum hat Frau Catherine Biasini M.A. das Installationsprojekt koordiniert und das Begleitheft zu dem Projekt vorbereitet. Sabine Kaufmann M.A. hat die Mittelbewirtschaftung übernommen, Frau Sabine Karle M.A. war für die Kommunikation und die Internetpräsentation des Projektes zuständig. Ihnen sei stellvertretend für alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedankt, die es mit ihrem hohen Engagement ermöglicht haben, dass das Historische Museum der Pfalz für mehrere Monate in »ein anderes Licht« gestellt wird.
 

Quelle:

Michael Seyl, Rot Blau, Museum im Dialog, Werkeheft zur Ausstellung "Rot Blau" im Historischen Museum der Pfalz Speyer, Herausgeber: Meinrad M. Grewenig, mit Texten von Catherine Biasini und Meinrad M. Grewenig, 13 Fotos von Robert Häusser, Speyer 1998
 
 

 


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