Hans-Jürgen Klöckner 

1944 – 1996 


 
"Verspannungen - Verwachsungen - Verkreuzung - Verschränkung - Zusammenprall, Brausen, Kraft, Wucht, Licht, Sturz, Dammbruch - Blendung - Tumult - Knoten - Stiche - Wirbel - Dunkel - Tiefe - Enge - Ausbruch - Licht" - Mit diesen spontanen Assoziationen und Empfindungen versuchte Dieter Brembs, Professor für Grafik an der Universität Mainz, anläßlich der Eröffnung einer Ausstellung mit Werken von Hans-Jürgen Klöckner etwas zu beschreiben, was sich der begrifflichen Bestimmung zu entziehen scheint: die Kohle-, Graphit- und Kreidezeichnungen von Hans Jürgen Klöckner.
Der im Jahre 1944 in Altenkirchen geborene Hans-Jürgen Klöckner studierte an der Pädagogischen Hochschule Kaiserslautern und am Hochschulinstitut für Kunst- und Werkerziehung Mainz. Er unterrichtete an verschiedenen Grund-, Haupt- und Realschulen. Er war als Kunsterzieher an der Realschule Schönenberg-Kübelberg tätig und lebte in Waldmohr, bevor er im Jahre 1996 unerwartet starb.
Die Arbeiten von Hans-Jürgen Klöckner sind gekennzeichnet durch Impulsivität und Spontaneität. Seine Zeichnungen sind keine Umsetzungen von vorher festgelegten, außerbildlichen Vorgaben. Die Bilder entstehen aus dem Prozeß des Zeichnens heraus. "Ich arbeite ohne festen Bildplan und reagiere während des Arbeitens auf das Entstehende", beschrieb der um theoretische Äußerungen nicht verlegene Künstler seine Arbeitsweise. Sukzessive tastet er sich mit dem Zeichenstift an ein Scheinziel heran. Einmal wird eine begonnene Bewegung weitergeführt. Der Stift tanzt regelrecht über das Papier. Die Hand wird jedoch nicht in gleichmäßigen Schwingungen geführt, sondern in einem ständigen Rhythmuswechsel, mit Bewegung und Gegenbewegung. Ein andermal "ist es die optische, haptische und bewegungsmäßige Erinnerung an das bisher Gezeichnete, die die Hand steuert", erklärte Hans-Jürgen Klöckner. Dabei weicht die anfängliche Impulsivität nach und nach einer kontrollierteren Vorgehensweise.
Die Ergebnisse lassen Assoziationen an Wände, Aufbrüche oder Ausbrüche aufkommen. Es gelingt jedoch keine vollständige Auflösung in diese Vorstellungen. Die Zeichnungen bleiben immer auch Zeichnungen - fein strukturierte und selten unbearbeitete, weiße Flächen stehen in Kontrast zu übereinandergelegten Strichlagen und konzentrierten Linienbündeln, die sich zu tiefem Schwarz verdichten.
"Meine Bilder sind eine Selbstaussage im Sinne einer Identitätssuche", so Hans-Jürgen Klöckner, "sie sind Ausdruck eines subjektiven Gefühlserlebens." Die Arbeiten des Künstlers bieten Raum für intensive sinnliche Erlebnisse, die über den visuellen Reiz des Auges hinausgehen. So ist es nicht verwunderlich, wenn Dieter Brembs seine synästhetischen Erfahrungen, die er beim Betrachten von Klöckners Zeichnungen verspürte, wiedergibt: "Klänge sickern ein, Geräusche verlieren sich, brechen sich an den Wänden, hallen nach, brodeln, singen, rascheln, zischen, flüstern, krachen, rauschen, türmen sich auf, brechen zusammen, sinken ein, werden verweht."
Eine konkrete Verbindung zwischen der Musik und Hans-Jürgen Klöckners Zeichnungen besteht in der Serie "Wurzelwerk und Flügelschlag". Es handelt sich um Illustrationen zu Kompositionen von Tilo Medek. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten hat der Künstler hier bewußt figurative Elemente eingefügt. So meint man zarte Elfenwesen in den Liniengeflechten erkennen zu können. Sie treten hervor, weichen zurück, drängen sich nie auf. Wie die Töne der Musik scheinen sie nur für Augenblicke wahrnehmbar.
Für die Waldmohrer Künstlerin Hildegard Erbelding boten Hans-Jürgen Klöckners Zeichnungen "Hoffnungen, die einen Weg aus dem Dickicht unseres Nicht-Wissens erkundenswert erscheinen lassen."

Aus: Michael Seyl, "Bildende Kunst im Raum Kusel", Druckerei und Verlag Koch, Kusel 1994, S. 48f. (überarbeitete Fassung)
 
 

Wurzelwerk und Flügelschlag 1
Federzeichnung, 33cm x 28,5cm, 1988
 
 

Verfasser: Michael Seyl