Steffi Kehl 

1966 - 1991 


 
Der norwegische Maler Edvard Munch malte im Jahre 1893 sein berühmtes Bild "Der Schrei": Auf einer Brücke steht eine schreiende junge Frau. Gemeint ist keine bestimmte Person. Edvard Munch hat hier ein Gefühl der Ausweglosigkeit und Angst in Farbe und Form umgesetzt.
In einem Gedicht, das Stefanie Kehl vom Mayweilerhof als Kommentar zu diesem Bild verfaßte, ist zu lesen: "Ich werde immer versuchen, die Welt in Ordnung zu bringen - und, wenn ich's mal wieder geschafft habe, das äußere Chaos zu gestalten, wartet schon die Innenwelt ..." Die Künstlerin ist an der Verwirklichung dieses Ziels zerbrochen. Stefanie Kehl verstarb im Dezember 1991 im Alter von 25 Jahren.
Wilfried Dahl aus Oberalben beschrieb Stefanie Kehl in seinem Nachruf als "einen jungen Menschen, der es mit der Suche nach Gerechtigkeit, dem Schaffen von Frieden und dem Bewahren der Schöpfung wirklich ernst meinte". Im Mittelpunkt ihrer Kunst stand demnach folgerichtig die Natur.
Angefangen hat Stefanie Kehl mit Pflanzen- und Tierzeichnungen und Landschaftsaquarellen. So ist beispielsweise eine ganze Serie von "Pferdebildern" entstanden. Interessiert hat sie dabei nicht die Naturidylle. Stefanie Kehls Pferde stehen in einer düsteren Gewitterlandschaft oder in nächtlichem Mondlicht. Aus diesen Arbeiten spricht der Eindruck einer diffusen Angst. Eine Bedrohung ist allenthalben spürbar. Und für die Künstlerin war klar, von wem die Bedrohung der Natur ausging: von Menschen, deren oberstes Gebot das Streben nach Profit und Macht ist.
In einer Rede, die sie 1990 anläßlich der Eröffnung der Ausstellung "Einblicke IV" im Jugendtreff in Kusel hielt, formulierte sie das Ziel ihrer Kunst: "Die Kunst hat die Aufgabe, innerhalb der Gesellschaft auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen und möglicherweise auch etwas zu ändern." So sind während ihres Studiums der Kunst und Gesellschaftslehre an der Gesamthochschule in Kassel politisch engagierte Bilder entstanden. Als Beispiel läßt sich eine Zeichnung anführen, auf der die Erde, die als kostbarer Edelstein erscheint, von einer Menschenhand bedroht wird. Auf der mit großer Sensibilität gezeichneten Weltkugel ist Afrika zu sehen, ein Erdteil, der wie kein zweiter für Krieg, Hunger und Elend in der Welt steht.
Bei ihrem Kampf für mehr Frieden und Gerechtigkeit hoffte Stefanie Kehl auf den Verstand und die Erkenntnisfähigkeit der Menschen. So ist auf einer Postkarte, die in ihrem Zimmer an der Wand hängt, ein Satz von Francis Picabia zu lesen: "Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann." Doch was so einfach klingt, war in der politischen wie künstlerischen Praxis nicht so leicht zu realisieren. 
In den letzten Jahren sind immer wieder Selbstporträts entstanden, in denen sie Angst und Melancholie verarbeitete. In mehreren "Clownbildern" spiegelt sich tiefe Trauer und eine romantische Sehnsucht nach einer besseren Welt, wie Stefanie Kehl sie zum Beispiel in einer ihrer letzten Arbeiten dargestellt hat: Auf einer "Blumenwiese" ist ein Liebespaar zu sehen. Das Pastell ist in einer überraschend intensiven Farbigkeit mit leuchtenden roten, gelben, blauen und grünen Farben gemalt. Beim Betrachten dieses Bildes denkt man an Stefanie Kehl, wie sie trotz aller Schwermut auch sein konnte: heiter und voller Energie.
Stefanie Kehls Engagement für eine bessere Welt war sicher nicht vergebens, wenn die, die sie kannten, wie Wilfried Dahl betonte, dem, was ihnen an Steffis Leben wichtig war, in ihrem Leben einen wesentlichen Platz einräumen.

Aus: Michael Seyl, "Bildende Kunst im Raum Kusel", Druckerei und Verlag Koch, Kusel 1994, S. 42f.
 
 

Liebespaar
Pastellzeichnung, 80cm x 60cm, 1990
 
 

Verfasser: Michael Seyl